Skip to main content

ZIF kompakt | EUFOR Althea: Europäische Rückversicherung stärken

Europa Westlicher Balkan
EU NATO
GSVP Peacekeeping und Peacebuilding Stabilisierung
| ZIF kompakt
© European Union Force

PDF-Download

Die 1995 in Dayton vereinbarte Friedensordnung für Bosnien und Herzegowina ist weiterhin bedroht. Vor allem die Führung der Entität Republika Srpska versucht, den Gesamtstaat zu unterhöhlen und eine De-facto-Sezession zu erzwingen. Sie setzt dabei auf die Unterstützung durch die Russische Föderation und das Nachbarland Serbien – aber ebenso durch das EU-Mitglied Ungarn. EUFOR Althea fällt unter diesen Bedingungen die Aufgabe zu, in Kooperation mit den Sicherheitskräften Bosnien und Herzegowinas ein sicheres Umfeld zu gewährleisten. Dies muss durch eine glaubwürdige Rück-versicherungspolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten unterstützt werden. Die Beitrittsperspektive allein setzt keine ausreichenden Anreize, die politischen Fliehkräfte zu überwinden.

Mandat und deutscher Beitrag zu EUFOR Althea

Völkerrechtliche Grundlage der Mission EUFOR Althea ist UN-Resolution 2183 (2014). Der Sicherheitsrat hat das Mandat zuletzt am 1. November 2024 um ein Jahr verlängert (Resolution 2757). Die Mission soll die militärischen Aspekte des Friedensabkommens von Dayton und damit die Sicherheit in Bosnien und Herzegowina wahren. Im Rahmen der Berlin-plus-Vereinbarung führt das NATO Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) die Mission als EU Operational HQ. Gegenwärtig steht EUFOR Althea unter dem Befehl des rumänischen Generalmajors Florin-Marian Barbu.

Kern der EUFOR Althea ist das Multinationale Bataillon in Camp Butmir, das Land- und Luftoperationen durchführen kann. Außerdem unterhält die Mission 20 kleine Verbindungs- und Beobachtungsteams im gesamten Land. Die rund 1.500 Einsatzkräfte der Mission werden von 18 EU-Mitgliedstaaten und sechs Partnerländern gestellt. Aufgrund der aktuellen Spannungen wurden sie im Frühjahr 2025 durch Reservekräfte aufgestockt, mit denen die Mission sichtbare Bereitschaftsübungen durchführt.

Nach zehnjähriger Unterbrechung beteiligt sich die Bundeswehr seit 2022 erneut mit einem kleinen Kontingent an EUFOR Althea. Die aktuell im Deutschen Bundestag beratene Mandatsverlängerung sieht wie bisher die Entsendung von bis zu 50 Bundeswehrangehörigen vor; im vergangenen Jahr waren 35 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Die Obergrenze kann kurzfristig überschritten werden.

Fehlende Zugkraft der EU-Perspektive

Im März 2024 gab der Europäische Rat grünes Licht für EU-Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina. Weithin wurde dies als Anreiz der EU interpretiert, dadurch die Friedensordnung von Dayton zu festigen. Der 67. Bericht des aus Deutschland stammenden Hohen Repräsentanten Christian Schmidt stellt aber fest, dass die dadurch ausgelöste Integrationsdynamik nicht nachhaltig war. Voraussetzung für den Verhandlungsbeginn sind vier Gesetzesvorhaben, die wenig Fortschritte machten. Die politischen Kräfte, die den Gesamtstaat stärken und die europäische Integration vorantreiben wollen, werden durch ethnopolitisch motivierte Blockaden immer wieder in die Defensive gedrängt.

Vor allem konstatiert der Hohe Repräsentant „präzedenzlose Attacken“ der Entität Republika Srpska (RS) auf die Verfassungsordnung Bosnien und Herzegowinas. Treibende Kraft, die RS aus dem Gesamtstaat herauszulösen, ist ihr Präsident Milorad Dodik. Im Windschatten versuchen auch Repräsentanten der kroatischen Gemeinschaft, eine stärkere ethnische Segregation durchzusetzen.

Die RS-Führung sucht dabei den engen Schulterschluss mit Belgrad und Moskau. Besonders deutlich wurde dies im Frühjahr 2024, als die UN-Generalversammlung den 11. Juli zum jährlichen Gedenktag des Genozids in Srebrenica erklärte. Dodik nahm dies mehrfach zum Anlass, mit dem Ende Bosnien und Herzegowinas zu drohen. Der russische UN-Botschafter Wassilij Nebensja warnte, die Resolution bedrohe den Frieden in der Region und dränge Bosnien und Herzegowina in die Konfrontation. Auch Serbiens Präsident Aleksandar Vučić protestierte und hüllte sich nach Verabschiedung der Resolution noch im UN-Sitzungssaal demonstrativ in Serbiens Flagge.

Am 8. Juni 2024 initiierten Dodik und Vučić in Belgrad eine „Allserbische Versammlung“ unter dem Motto „Eine Nation, eine Versammlung – Serbien und Srpska“. Sie erklärte das Recht der RS auf unabhängige verfassungsrechtliche, legislative, exekutive und judikative Funktionen. Eine NATO-Mitgliedschaft Serbiens und der RS lehnte sie ab, ebenso die Ernennung des Hohen Repräsentanten.

Die Spannungen wuchsen infolge eines Urteils des Staatlichen Gerichtshofs Bosnien und Herzegowinas am 26. Februar 2025. Dodik wurde in erster Instanz zu einem Jahr Haft und sechs Jahren Ämterverbot verurteilt, weil er ein Gesetz in Kraft gesetzt hatte, das die Hoheit der Rechtsakte des Hohen Repräsentanten und des Verfassungsgerichts über die RS verneinte. Dodik drohte daraufhin: „Von heute an gibt es kein Bosnien und Herzegowina mehr“. Und das RS-Parlament verabschiedete einen Verfassungsentwurf, der auch die Wiedererrichtung einer eigenen RS-Armee vorsah. Außerdem erklärte es die gesamtstaatliche Justiz und die Staatspolizei auf ihrem Territorium für unzuständig. Am 4. April veranlasste Dodik zudem, dass die RS-Polizei den offiziellen Besuch der deutschen Staatsministerin Anna Lührmann in Banja Luka beendete und sie gegen ihren Willen aus der Stadt eskortierte.

Als Dodik erneuten Vorladungen der Staatsanwaltschaft wegen vermuteter Verfassungsverstöße nicht nachkam, erließ diese einen Haftbefehl, ebenso gegen RS-Premierminister Višković und RS-Parlamentspräsident Stevandić. Der Versuch der Staatspolizei, Dodik festzunehmen, scheiterte am 23. April, weil er von einer gut 40-köpfigen bewaffneten RS-Polizeieinheit geschützt wurde. Offenbar standen auch ungarische Polizeikräfte in der RS bereit, den Präsidenten im Notfall außer Landes zu schaffen. Tatsächlich konnte Dodik mehrfach unbehelligt das Land verlassen, so am 9. Mai 2025 zur Militärparade in Moskau anlässlich des 80-jährigen Sieges im II. Weltkrieg. Dodik ist regelmäßig in Russland zu Gast und dort auch Gesprächspartner von Präsident Putin.

Sowohl die EU und die USA verurteilten die neuerlichen Sezessionsaktivitäten Dodiks scharf, wogegen Vučić, Putin und Ungarns Premierminister Orban ihm Unterstützung zusicherten. Der Hohe Repräsentant sanktionierte die SNSD-Partei Dodiks und ihren Koalitionspartner Ujedinjena Srpska, indem er ihre Finanzierung durch öffentliche Gelder aussetzte. Die Opposition in der RS sprach sich ebenfalls gegen den Sezessionskurs aus.

EUFOR Althea als Rückversicherung stärken

In Hinblick auf mögliche Gewaltakte infolge von Dodiks Sezessionspolitik verstärkte EUFOR Althea ab März 2025 die Truppen und demonstrierte in mehreren Übungen öffentlich Einsatzbereitschaft. Um als Rückversicherung zu dienen, ist aber nicht nur die sichtbare Präsenz der Mission nötig. Sie muss durch eine konsequente internationale Politik zur Unterstützung des Gesamtstaats begleitet werden.

Den Erwartungen hochrangiger Politiker Bosnien und Herzegowinas, EUFOR möge sich an der Festnahme Dodiks beteiligen, stand die EU bisher reserviert gegenüber. Während dies kurzfristig Räume für mögliche politische Arrangements schaffen mag, besteht die Gefahr, dass diese Zurückhaltung sowohl die Glaubwürdigkeit der EU als auch der EUFOR Althea als Stabilitätsgaranten untergräbt.

Die Überlegungen, das Amt des Hohen Repräsentanten abzuschaffen und ausschließlich darauf zu setzen, Bosnien und Herzegowina durch den EU-Beitrittsprozess zu konsolidieren, beruhen offen-sichtlich auf allzu optimistischen Annahmen. Der oft erhobene Vorwurf, der Hohe Repräsentant sei nicht demokratisch, geht an der Sache vorbei: Er ist einzig mit dem Ziel eingesetzt worden, als internationaler Hüter des Friedensabkommens von Dayton zu wirken. Und während die Vorgänger Schmidts ihre Bonn Powers immer zurückhaltender nutzten, zeigt sich aktuell, dass sein Instrumentarium als friedenspolitisches Mittel der internationalen Gemeinschaft noch unverzichtbar bleibt.