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ZIF kompakt | KFOR 2025: Einsatz gegen Bedrohungen und Bedrohungsängste

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| ZIF kompakt

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Seitdem die EU im März 2023 einen Durchbruch ihrer Normalisierungsbemühungen zwischen Belgrad und Prishtina verkündete, ist wenig vom Vereinbarten umgesetzt worden. Nach wie vor prägen die Gewaltereignisse des Jahres 2023 die politische Landschaft Kosovos. Kosovos Regierung hat seitdem ihren Kurs intensiviert, die Staatlichkeit Kosovos auf dem gesamten Territorium durchzusetzen. Allerdings geschieht dies ohne Absprache mit ihren internationalen Partnern, die den EU-vermittelten Dialog zwischen Kosovo und Serbien wiederbeleben wollen. Ein EU-Beitritt von Kosovo und Serbien liegt realistisch in weiter Ferne und setzt entsprechend begrenzte Anreize zur Normalisierung. Der veränderte geopolitische Rahmen verstärkt die destabilisierenden Tendenzen. Unter diesen Bedingungen ist die Handlungsfähigkeit von Kosovo Force (KFOR) ein zentraler Faktor, erneuten Eskalationen und Bedrohungsängsten der Bevölkerung entgegenzuwirken. 

Mandat und deutscher Beitrag zu KFOR

Die NATO-geführte KFOR verfügt über eine Stärke von rund 4.750 Einsatzkräften aus 29 NATO- und fünf Nicht-NATO-Staaten (Stand Mai 2025). Größte Truppensteller sind Italien (1.258), USA (602), Ungarn (365), Türkei (325), Deutschland (269), Polen (247) und die Schweiz (211). Völkerrechtliche Grundlage ist die UN-Resolution 1244 vom 10. Juni 1999. Befehlshaber ist der italienische Generalmajor Enrico Barduani. Die Mandatsverlängerung für das Kontingent der Bundeswehr sieht vor, eine reguläre Obergrenze von 400 Einsatzkräften unverändert beizubehalten. Vorübergehend kann diese auch überschritten werden.

KFOR hat keine politische Rolle. Die Mission soll ein sicheres Umfeld nach innen und nach außen gewährleisten sowie den Aufbau einer demokratisch kontrollierten Kosovo Security Force unterstützen. In der Sicherheitsarchitektur Kosovos agiert KFOR als 3rd responder, d.h. die Mission kann bei inneren Unruhen eingreifen, wenn die Polizei Kosovos (1st responder) und die GSVP-Rechtsstaatsmission mit ihrer Einsatzhundertschaft (2nd responder) nicht mehr allein „Herr der Lage“ werden. 

Gegensätzliche Handlungslogiken aller Dialog-Beteiligten

Kosovos Parlamentswahlen am 9. Februar haben zu einem parlamentarischen Patt geführt. Zwar gewann die Partei „Selbstbestimmung“ von Premierminister Albin Kurti die meisten Stimmen, verlor allerdings die absolute Mehrheit. In bisher 31 Versuchen (Stand: 13. Juni 2025) gelang es der Partei nicht, ihre Kandidatin zur Parlamentspräsidentin wählen zu lassen und damit die Konstituierung des neuen Parlaments zu ermöglichen. Die Regierung Kurti ist nur noch geschäftsführend im Amt. 

Dies erschwert auch die aktuellen Versuche des neue EU-Sondergesandten Peter Sørensen, den Dialog zwischen Belgrad und Prishtina wiederzubeleben und neuen Schwung in die Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien zu bringen. Nach wie vor bleiben die USA auch politisch der wichtigste internationale Unterstützer Kosovos, allerdings ist die konkrete Ausgestaltung der Balkanpolitik der Trump-Administration gegenwärtig unklar. Im Dialog stehen sich drei gegensätzliche Handlungslogiken der beteiligten Akteure gegenüber, in denen der Faktor Zeit eine wichtige Rolle spielt: 

  • Die EU setzt auf ein langfristiges Interesse Kosovos und Serbiens, im Rahmen der Beitrittsperspektive gutnachbarschaftliche Beziehungen zu entwickeln, und unterstützt dies im Wesentlichen durch wirtschaftliche Anreize und Finanzhilfen. Einzig gegen Prishtina wurden nach den Gewalteskalationen von 2023 „Maßnahmen“ verhängt, die hochrangige politische Kontakte und finanzielle Hilfen suspendierten; gegen Serbien erfolgten keine vergleichbaren Schritte.
  • Kosovo befürchtet nicht zuletzt mit Blick auf die Sezessionsbestrebungen der Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina, dass die auch im 18. Jahr der Unabhängigkeit andauernden Aktivitäten staatlicher Institutionen Serbiens auf seinem Territorium eine nachhaltige Realität des Faktischen schaffen und damit Kosovos Staatlichkeit auf Dauer unterminieren. Gestärkt wird dies durch die Befürchtung, die 2. Trump-Administration könne – wie schon die erste – auf territoriale Veränderungen drängen.
  • Serbien spielt genau aus diesen Gründen auf Zeit in der Hoffnung, wenigstens Teile Kosovos wieder an sein Staatsgebiet anzuschließen. Dazu instrumentalisiert Belgrad die kosovo-serbische Minderheit und baut immer wieder militärische Drohkulissen an Kosovos Grenze auf. 

Kosovos Norden: Machtvakuum, Eskalationen und Parallelstrukturen

Das Abkommen zwischen Belgrad und Prishtina, das die EU am 18. März 2023 im nordmazedonischen Ohrid vermittelte, sieht die gegenseitige Anerkennung der territorialen Integrität, die jeweils exklusive Repräsentation auf internationaler Ebene und ein „self-management“ der serbischen Gemeinschaft im Kosovo vor. Allerdings verweigerte Serbiens Präsident Aleksander Vučić dem Abkommen seine Unterschrift und versäumte seitdem kaum eine Gelegenheit, das Vertrauen in seine Vertragstreue zu untergraben. Kosovos Premierminister Albin Kurti wiederum machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen einen Verband der Gemeinden mit serbischer Bevölkerungsmehrheit, der das „self-management“ der kosovo-serbischen Gemeinschaft gewährleisten soll. Er widersetzte sich auch den Erwartungen der EU-Vermittler, in dieser Frage einseitig in Vorleistung zu gehen. 

Angesichts des andauernden politischen Boykotts der kosovarischen Institutionen durch die Srpska Lista, der dominanten Partei der serbischen Gemeinschaft im Kosovo, eskalierte die Situation im Norden Kosovos schon ein Monat nach dem Abkommen. Bei kommunalen Neuwahlen im Norden setzten sich aufgrund des Boykotts bei äußerst geringer Wahlbeteiligung erstmals nicht-ethnisch serbische Kandidaten als Bürgermeister durch. Als sie ihre Amtsräume übernehmen wollten, kam es zu schweren Ausschreitungen, bei deren Bekämpfung über 93 italienische und ungarische KFOR-Bereitschaftskräfte durch Schlagwaffen, Sprengkörper und Schüsse teilweise schwer verletzt wurden. Noch gravierender war die Aktion einer rund 30-köpfigen paramilitärischen Gruppe ein, die im September 2023 einen Streifenpolizisten tötete, sich im Kloster Banjska verschanzte und ein stundenlanges Feuergefecht mit der Polizei führte. Der Vize-Vorsitzende der Srpska Lista, Milan Radojčić, übernahm in Belgrad die alleinige Verantwortung für die Aktion, befindet sich aber seitdem dort auf freiem Fuß

Prishtina etablierte daraufhin eine dauerhafte Polizeipräsenz mit Kräften aus dem Süden Kosovos und ging schrittweise gegen eine Reihe der von Belgrad betriebenen Parallelinstitutionen vor. Das mitunter martialische Auftreten und Handeln der Polizei verstärkte allerdings die Ängste der lokalen Bevölkerung und wurde zu wenig durch vertrauensbildende Maßnahmen begleitet. Kooperationswillige Kosovo-Serben wurden aber auch regelmäßig aus der eigenen Gemeinschaft heraus bedroht. 

KFOR: Bedrohungen und Bedrohungsängsten robust entgegenwirken

Angesichts der weiterhin gespannten Lage und den Auswirkungen der geopolitischen Konfrontationen auch auf den westlichen Balkan bleibt eine robuste, handlungsfähige KFOR-Präsenz weiterhin entscheidend, um weitere Eskalationen von außen und von innen glaubhaft abzuschrecken und ihnen im Ernstfall robust zu begegnen. KFOR führt dazu regelmäßig Bereitschaftsübungen durch, patrouilliert die kosovarisch-serbischen Grenze und hat auch das Zusammenwirken mit der EU-Rechtstaatsmission EULEX im Bereich der Bekämpfung innerer Unruhen verbessert. Die KFOR-Beteiligung der Bundeswehr ist nicht nur operativ, sondern auch als politisches Signal von größter Bedeutung.