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Ohne Frauen kein Frieden: WPS als sicherheitspolitische Notwendigkeit

Die in der UN-Resolution 1325 verankerte UN-Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ (Women, Peace, Security) legt seit dem Jahr 2000 den Grundstein für die Förderung von Frauenrechten in Konfliktgebieten und die Anerkennung von Geschlechtergerechtigkeit als zentrale Voraussetzung für nachhaltigen Frieden und Sicherheit für alle. 

Ein Kommentar von Jasmina Schroff und Jonas Schön.

Im Fokus stehen dabei insbesondere die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen, der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sowie die Stärkung ihrer Rolle als Schlüsselakteurinnen in der Konfliktprävention und -aufarbeitung.  

Zur Umsetzung der WPS-Agenda verpflichten sich zahlreiche Staaten durch sogenannte Nationale Aktionspläne (NAPs). Auch multilaterale Organisationen wie die NATO, die EU oder die OSZE haben eigene WPS-Strategien entwickelt und institutionalisiert. Die NATO integriert WPS systematisch in ihre drei Kernaufgaben* und arbeitet aktuell an einem neuen Aktionsplan für den Zeitraum 2026 – 2030. In der EU werden im Jahr 2026 sowohl der Gender Action Plan als auch der WPS Action Plan neu verhandelt. In der OSZE sind WPS-Aktivitäten breit aufgestellt und werden von einer Vielzahl von Akteur:innen getragen. Die 2025 veröffentlichte OSZE WPS Roadmap verbessert die Koordination und fördert die Schaffung von Synergien. ZIF-Sekundierte treiben das Thema in den multilateralen Organisationen sowohl konzeptionell als auch operativ voran. Auch die Bundesregierung erarbeitet derzeit den 4. Nationalen Aktionsplan. Die Agenda ist ausdrücklich im Koalitionsvertrag verankert.
 

Die WPS-Agenda: sicherheitspolitisch relevant

Die WPS-Agenda ist kein sozialpolitisches „Add-on“, sondern ein sicherheitspolitisches Instrument. Kriege und Krisen betreffen Frauen und Mädchen, Männer und Jungen unterschiedlich. Während Männer häufig aktiv an bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt sind, übernehmen Frauen unter anderem Versorgungsaufgaben – gleichzeitig sind sie in besonderem Maße von sexualisierter Gewalt betroffen. 2023 verifizierten die UN mehr als 3.600 Fälle sexualisierter Gewalt; die Dunkelziffer liegt weitaus höher. Vergewaltigung als strategische Kriegswaffe, Entführungen und gezielte Angriffe gehören zur Realität – insbesondere für marginalisierte Gruppen. Intersektionalität erhöht die Vulnerabilität zusätzlich. 

Auch sozioökonomisch wirken sich Konflikte geschlechtsspezifisch aus – etwa auf den Zugang zu Bildung, Gesundheit und Erwerbstätigkeit. So waren 2024 weltweit über 100 Millionen schulpflichtige Mädchen nicht in der Schule. Krisen verlagern Prioritäten im Gesundheitssystem, wodurch sich die Versorgung im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit verschlechtert. Diese Entwicklungen gefährden die langfristige soziale und wirtschaftliche Teilhabe von Frauen, schwächen dadurch die Resilienz von Gesellschaften und mindern ihre Fähigkeit, Krisen zu bewältigen – mit negativen Folgen für nachhaltige Friedens- und Wiederaufbauprozesse. 
 

Ohne Frauen kein Frieden: substanzielle Beteiligung von Frauen unabdingbar

Gleichzeitig zeigt die Forschung eindeutig: Eine substanzielle Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen erhöht deren Wirksamkeit und Nachhaltigkeit. Dennoch bleibt ihre Repräsentanz gering – im Jahr 2023 stellten Frauen lediglich rund 9,6 % der Verhandlungsführenden, 13,7 % der Mediator:innen und 26,6 % der Unterzeichnenden von Friedens- und Waffenstillstandsabkommen. Es braucht daher gezielte Maßnahmen, um ihre Perspektiven und Expertise systematisch in Entscheidungsprozesse zu integrieren. 

Multilaterale Organisationen wie die EU, die UN, die OSZE und die NATO spielen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der WPS-Agenda. Sie fördern Synergien, unterstützen strategische Leuchtturmprojekte und begleiten die Ausarbeitung und Umsetzung nationaler Aktionspläne. Dabei bleibt die Berücksichtigung von komplexen Verzahnungen unerlässlich: Gendersensible Arbeit muss Faktoren wie Klimawandel, Machtverhältnisse, Gewaltmechanismen und Desinformation einbeziehen und mitdenken, um kontextsensibel und wirksam zu sein. Eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Akteur:innen und Frauenrechtsorganisationen ist hierfür essenziell. Erst kürzlich unterstrich eine Delegation von UN Women Afghanistan bei einem Besuch im ZIF erneut die zentrale Bedeutung lokaler Handlungsmacht („local agency“).  
 

Hybride Bedrohungslagen und die Agenda WPS

WPS ist auch ein strategisches Querschnittsthema – insbesondere im Kontext hybrider Bedrohungslagen. Denn die zunehmenden Backlashs gegen Frauenrechte äußern sich heute nicht nur auf politischer oder physischer Ebene, sondern zunehmend auch im digitalen Raum. Genderbezogene Desinformation (“gendered disinformation”) untergräbt Partizipation und verstärkt bestehende Machtassymetrien. Deshalb sollte die Zusammenarbeit zwischen Cyber-/FIMI**-Expert:innen und WPS-Spezialist:innen gezielt gestärkt werden. Akteur:innen im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik müssen ihren „WPS-Reflex“ stärken und das Thema systematisch mitdenken.  

Für eine wirksame Umsetzung der WPS-Agenda braucht es Maßnahmen zur Stärkung des Bewusstseins sowie gezielte Trainingsformate. Monitoring, Evaluierung und kontinuierlicher Wissenstransfer tragen dazu bei, erfolgreiche Ansätze sichtbar zu machen und weiterzugeben. 

All diese Maßnahmen – Schutz, Teilhabe, Kapazitätsaufbau, Monitoring – erfordern entsprechende Ressourcen. Besonders Frauen – ob als Akteurinnen oder Betroffene – sind häufig von Budgetkürzungen betroffen. Die Umsetzung der WPS-Agenda ist ein zentrales Element moderner Außen- und Sicherheitspolitik und muss auch als solches priorisiert werden - auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. 

 

* Die drei Kernaufgaben der NATO sind: (1) Collective Defence, (2) Crisis Prevention and Management sowie (3) Cooperative Security. 
**Foreign Information Manipulation and Interference