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ZIF kompakt | Klimasensible Friedensmediation stärken

Frieden und Entwicklung Klimawandel Mediation
| ZIF kompakt
© UN Photo / Ab Rashid

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Die Klimakrise stellt Mediationsprozesse weltweit vor fortlaufende Herausforderungen. Sie verschärft Konflikttreiber und birgt Risiken, eröffnet aber auch neue Ansätze für die Friedensförderung. Angesichts wachsender Klimaherausforderungen und der zunehmenden Verflechtung von Klimawandel und Konflikten wird es immer wichtiger, deren Auswirkungen in die Mediation bewaffneter Konflikte einzubeziehen. Deutschland ist seit Jahren Vorreiter, wenn es um die Verknüpfung von Klimaschutz und Friedensförderung geht und sollte diese Pionierrolle im Bereich klimasensibler Friedensmediation weiter ausbauen: Deutschland kann hier als Impulsgeber neue Ansätze fördern und als Enabler (Ermöglicher) Akteure in Konfliktregionen mit Know-how und finanziellen Mitteln unterstützen. 

Dieses ZIF kompakt nutzt die Erkenntnisse des Expert:innenworkshops “Assessing the Challenges & Opportunities of Climate Change for Peace Mediation Processes”(September 2024) und des ZIF Briefings Peace mediation in the climate crisis (März 2025), um praktische Empfehlungen für die Stärkung klimasensibler Friedensmediation zu formulieren.

Zentrale Herausforderungen für klimasensible Mediation

Die Integration von Klimafragen in Friedensverhandlungen birgt komplexe Herausforderungen, die eine sorgfältige und kontextspezifische Herangehensweise erfordern. So dürfen Klimathemen Verhandlungen nicht überfrachten oder als externe Agenda wahrgenommen werden, da dies die Akzeptanz der Konfliktparteien mindern könnte. Zudem bevorzugen viele Konfliktparteien oft schnelle, elitenbasierte Lösungen, die langfristige Umweltaspekte ausblenden. Hinzukommt, dass fehlende finanzielle Ressourcen und Expertise eine nachhaltige Umsetzung von Klimaanpassungs- und Friedensmaßnahmen erschweren. Noch fließen wissenschaftliche Erkenntnisse und lokales Wissen im Bereich Klimaschutz selten in Mediationsprozesse ein. Diese mangelnde interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Klima- und Friedensexpert:innen verstärkt die genannten Dynamiken. Eine systematische Herangehensweise, die Klimafragen als Chance für nachhaltige Friedensprozesse begreift, ist daher essenziell.

Diese Herausforderungen verdeutlichen die Notwendigkeit, Friedens- und Klimapolitik stärker zu verzahnen. Nur so lassen sich sowohl die oft sehr unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse der Konfliktparteien als auch die langfristigen Anforderungen im Umgang mit der Klimakrise berücksichtigen. Die folgenden gezielten Empfehlungen können zu einer führenden und glaubwürdigen Rolle Deutschlands in der klimasensiblen Friedensmediation beitragen.

Empfehlungen für deutsches Mediationsengagement

Deutschlands außenpolitische Glaubwürdigkeit: Um Deutschlands Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit in der Klima-Mediationspolitik zu stärken, sind gezielte Maßnahmen erforderlich. Als einer der historisch größten CO2-Emittenten trägt Deutschland eine besondere Verantwortung und sollte seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen konsequent umsetzen. 

Finanzielle Unterstützung und Klimagerechtigkeit: Finanzielle Unterstützung für konfliktbetroffene Staaten ist essenziell, ebenso wie Dialoge über Klimagerechtigkeit und den Ausgleich von Verlusten und Schäden. Dabei ist ein ganzheitlicher Ansatz von zentraler Bedeutung, der politische, wirtschaftliche, entwicklungspolitische, humanitäre und sicherheitspolitische Perspektiven integriert. 

Inklusive Friedensmediation für nachhaltige Prozesse: Gleichzeitig muss Deutschland sicherstellen, dass marginalisierte Gruppen wie Frauen, junge Menschen, ethnische Minderheiten und indigene Gemeinschaften aktiv in Mediationsprozesse einbezogen werden. Die Anliegen und Bedürfnisse derjenigen, die am stärksten von der Klimakrise und bewaffneten Konflikten betroffen sind, sollten eine zentrale Rolle in der Mediationspraxis spielen. Diese Inklusivität stärkt die Legitimität und Nachhaltigkeit von Friedensprozessen.

Klimathemen als strategische Chance: Klimathemen sollten dabei sowohl strategisch gedacht als auch kontextabhängig eingebracht werden. Der Klimawandel darf eben nicht (nur) als zusätzliche Belastung betrachtet werden, sondern als Möglichkeit, Friedensprozessen ganzheitlicher aufzustellen. Mediator:innen sollten dabei unterstützt werden, klimabezogene Themen konfliktsensibel zu formulieren und auf Nullsummen-Narrative zu verzichten. Stattdessen gilt es, Kooperationspotenziale und gemeinsame Vorteile zu betonen.

Erweiterung der Konfliktanalyse-Tools: Für direkte Mediationen empfiehlt es sich daher, bestehende Konfliktanalyse-Tools zu erweitern, um die Auswirkungen des Klimawandels systematisch zu berücksichtigen. Dies erfordert eine gemischte Methodik, die quantitative Daten mit den Perspektiven verschiedener gesellschaftlicher Gruppen kombiniert.

Wissenschaftliche Expertise als Grundlage: Der Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Klimatologie ist eine Voraussetzung für evidenzbasierte und klimasensible Mediation. Um fundierte Verhandlungsprozesse zu gewährleisten, sollte Deutschland einen flexiblen Pool naturwissenschaftlicher Expertise pflegen, der Mediator:innen bei spezifischen Klimafragen unterstützt. 

Stärkung internationaler Klimaforschung: Zudem ist international die wissenschaftliche und praktische Führungsrolle Deutschlands zu stärken, etwa durch die Fortsetzung der Berliner Klima- und Sicherheitskonferenzen und die Förderung interdisziplinärer Forschung. Deutschland sollte auch praxisnahe Forschung zu klimasensibler Friedensmediation unterstützen. Die Fachkompetenz innerhalb der Regierung muss durch gezielte Schulungen für Mitarbeitende des Auswärtigen Amts, des Verteidigungs- sowie des Entwicklungsministeriums weiter gestärkt werden. Schließlich sollte Deutschland gemeinsam mit internationalen Partnerorganisationen praxisorientierte Leitlinien zur Integration von Klimathemen in Mediationsprozesse entwickeln und Trainingsprogramme für Konfliktparteien und Mediator:innen fördern.

Innovative Mediationsansätze für nachhaltige Lösungsansätze: Darüber hinaus gilt es, innovative Mediationsansätze zu fördern, die Konfliktparteien mögliche Win-Win-Szenarien durch nachhaltige Ressourcennutzung und Klimaanpassungsmaßnahmen aufzeigen. Der Vorschlag der Vereinten Nationen (VN) zur Einrichtung von „Klimakomitees“, die Friedensabkommen an klimatische Realitäten anpassen könnten, ist hierbei prüfenswert.

Koordination und langfristige Finanzierung als Erfolgsfaktoren: Auch auf der Ebene der Koordination und Unterstützung sind konkrete Maßnahmen erforderlich. In einer Zeit zunehmender geopolitischer Fragmentierung ist es wichtig, dass Deutschland über ein solides Verständnis unterschiedlicher Akteure und deren Wahrnehmung von Klimathemen verfügt, um kontextspezifisch konsensfähige Ansätze zu entwickeln. Eine stabile und langfristige Finanzierung für klimasensible Mediation ist entscheidend. Deutschland sollte interdisziplinäre Projekte gezielt fördern und sicherstellen, dass Klimasensibilität in der Mittelvergabe analog zur Geschlechtergerechtigkeit geprüft wird.

Ausblick und weitere Empfehlungen

Deutschland hat eine internationale Vorreiterrolle im Bereich klimasensibler Mediation, insbesondere im Rahmen der Europäischen Union, der VN und durch seine Kandidatur für den VN-Sicherheitsrat 2027/28. Dabei ist die Unterstützung bestehender multilateraler Mechanismen wie des VN-Klimasicherheitsmechanismus von großer Bedeutung. Klimathemen sollten systematisch in internationale Mediationsstrategien und -leitlinien integriert werden, wobei Erfahrungen aus der Frauen-, Frieden- und Sicherheitsagenda – sowie der Jugend-, Friedens- und Sicherheitsagenda – genutzt werden sollten, um lokale Stimmen in globale Diskussionen einzubringen. Die Einbeziehung lokaler Perspektiven kann darüber hinaus helfen, Klimaaspekte inhaltlich auf die konkreten Auswirkungen vor Ort zuzuspitzen und so ihre Akzeptanz zu fördern.