ZIF kompakt | Peacebuilding Architecture Review 2025: Eine Agenda auch für Friedenseinsätze
© UN Photo / Loey Felipe
Am 26. November verabschiedeten der UN-Sicherheitsrat und die Generalversammlung Zwillingsresolutionen zum Peacebuilding Architecture Review (im Folgenden „Review 2025“). Die damit vorangetriebene Reform der Peacebuilding-Architektur ist auch ein zentraler Referenzrahmen für Friedenseinsätze. Die Integration von Peacebuilding-Aufgaben in deren Mandate war eine der bedeutendsten Anpassungen seit ihrer Gründung. Vor dem Hintergrund der parallel verlaufenden UN80-Reformen und den mit ihnen verbundenen Kürzungen von Personal und finanziellen Mitteln gibt der Review 2025 einem multidimensionalen Ansatz des Peacebuilding, der auf verbesserte Synergien zwischen zivilen und militärischen Ansätzen abzielt, wichtige politische Rückendeckung. Deutschland hat im diesjährigen Vorsitz der Peacebuilding Commission einige der auch im Review 2025 geforderten Themen wie die engere Verknüpfung von Peacebuilding und Friedenseinsätzen auf die Tagesordnung gesetzt und sollte die Umsetzung der Forderungen des Review 2025 auch in Zukunft aktiv unterstützen.
Peacebuilding und die UN Peacebuilding Architecture
Peacebuilding-Aktivitäten sind seit 1992 ein fester Bestandteil von UN-Friedenseinsätzen. Die entsprechend „multidimensional“ genannten Friedenseinsätze – oft mit einem robusten Mandat ausgestattet – wurden zum bevorzugten Modell für die Stabilisierung fragiler Staaten und die Umsetzung von Friedensabkommen. Ein wichtiger Meilenstein des Peacebuilding-Konzepts war der Bericht des High-level Panel on Threats, Challenges and Change (2004) mit dem Ziel, die zyklische Dynamik von Konfliktursachen und Rückfällen zu durchbrechen. Eine zentrale Herausforderung dabei war, dass die Lücke zwischen Kapazitäten und Prioritäten der UN und ihrer Mitgliedstaaten zu weit auseinanderklaffte, um nationale Peacebuilding-Prozesse wirksam zu unterstützen.
Konfliktbewältigung ganzheitlich zu denken und umzusetzen, bleibt bis heute das zentrale Thema der Peacebuilding-Debatte. Vor diesem Hintergrund beschlossen die UN-Mitgliedstaaten 2005 beim World Summit die Gründung von drei Institutionen im UN-System, um die Umsetzung von Peacebuilding-Bemühungen zu fördern (siehe Kasten).
Institutionen der Peacebuilding-Architektur
PBC – Peacebuilding Commission: Politisches Gremium der Mitgliedstaaten zur Förderung von Koordination und Kohärenz im UN-System, Mobilisierung von Ressourcen, Begleitung von Friedensförderungsstrategien, Beratung und Advocacy zu länderspezifischen Peacebuilding-Strategien und -Bedürfnissen sowie Funktion als Wissenszentrum.
PBF – Peacebuilding Fund: Multi-Geber-Mechanismus, um finanzielle Lücken zu schließen und längerfristige Finanzierungen zu fördern.
PBSO – Peacebuilding Support Office: Sekretariat des PBF, Beratung der PBC und Koordinierung der Peacebuilding-Strategie und des politischen Lernens innerhalb der UN.
Reforminitiativen und konzeptionelle Weiterentwicklung
Inzwischen hat die Peacebuilding-Architektur bereits drei Reform-Zyklen durchlaufen (2010, 2015 und 2020). Besonders wegweisend war die Erkenntnis von 2015, dass Peacebuilding sich in der Regel auf Postkonflikt-Situationen beschränke, insgesamt als zweitrangig betrachtet werde und daher unterfinanziert sei. Zudem operiere das UN-System in ,,Silos" mit fragmentierten Verantwortlichkeiten. Demgegenüber sollte Peacebuilding als systemweite Aufgabe der UN verstanden werden. Dieser Ansatz wurde 2016 in Zwillingsresolutionen zu Sustaining Peace durch Sicherheitsrat und Generalversammlung festgeschrieben. Sustaining Peace ist der Anspruch, sowohl das Ausbrechen, als auch die Fortsetzung, die Eskalation und das Wiederaufflammen von Gewaltkonflikten zu verhindern. Die Resolutionen leiteten ein grundsätzliches Umdenken von einem reaktiven zu einem präventiven Krisenmanagement in allen Phasen des Konfliktzyklus ein.
Eine engere Abstimmung zwischen der PBC und anderen UN-Organen, allen voran dem Sicherheitsrat, finden sich schon im Peacebuilding Architecture Review 2020, in der New Agenda for Peace von 2023 sowie im Pact for the Future (Zukunftspakt) von 2024. Im Zukunftspakt – laut UN das umfassendste internationale Abkommen seit Jahrzehnten – bekräftigten die UN-Mitgliedstaaten den Peacebuilding-Ansatz. Er soll sowohl als Rahmen für ein kohärentes, strategisches Vorgehen bei Bemühungen zur Friedenskonsolidierung, als auch für die Mobilisierung der erforderlichen Finanzmittel dienen. Doch aufgrund politischer Sensibilitäten bestehen unter den Mitgliedstaaten weiterhin unterschiedliche Interpretationen des Begriffs Sustaining Peace, welche eine gemeinsame Vision und die Umsetzung von Reforminitiativen erschweren.
Peacebuilding Architecture Review 2025
Der Peacebuilding Architecture Review 2025 soll den Peacebuilding-Ansatz weiter stärken. Er entwickelt frühere Empfehlungen zur Nutzung der Peacebuilding-Institutionen als treibende Kräfte der systemübergreifenden Zusammenarbeit weiter, um Frieden, Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechte stärker zu integrieren. Die globale convening power der PBC soll genutzt werden, den Sicherheitsrat umfänglich und auf Grundlage vielfältiger Perspektiven beraten zu können.
Der Review 2025 betont das Prinzip des local ownership. Zwar soll die PBC als Plattform für Peacebuilding-Aktivitäten dienen, konkret aber nur auf Einladung von und in enger Abstimmung mit nationalen Regierungen. Vorgesehen ist, dass die PBC national entworfene Präventionspläne, -prioritäten und -strategien untermauert. Dabei wird das Recht, die Parameter des Engagements zu bestimmen (ownership), sehr deutlich an die Eigenverantwortung nationaler Regierungen geknüpft, Konfliktursachen zu bekämpfen und den Bedürfnissen aller Gesellschaftsteile gerecht zu werden.
Weiter nimmt der Review 2025 den Gedanken des kontinuierlichen Austauschs zwischen Sicherheitsrat und der PBC im Kontext von Friedenseinsätzen auf, um von Anfang an langfristige Perspektiven in die Gestaltung und Umsetzung von Einsätzen zu integrieren. Dies ist nicht zuletzt bei Beendigung eines Friedenseinsatzes wichtig, wenn die Zuständigkeit für Peacebuilding-Aktivitäten von einer Institution zur anderen wandert (Transition). Die zielgerichtete Unterstützung durch den Peacebuilding Fund soll deshalb in Übergangsphasen ausgebaut werden. Hier allerdings trifft der Review 2025 auf die Realität der gegenwärtigen Finanzlage: Trotz der wachsenden Nachfrage von Mitgliedstaaten nach PBF-Finanzierung, fehlen dem Fond 500 Millionen Dollar für die im Zeitraum 2020–2026 mit 1,5 Milliarden Dollar anvisierten Aktivitäten. Der Forderung externer Beobachter:innen und Praktiker:innen nach vorhersehbarer und flexibler Finanzierung von Peacebuilding-Programmen, z.B. aus UN-Pflichtbeiträgen, kommt der Review 2025 nicht nach.
Den Zeitgeist der knappen Mittel spiegelt der Review 2025 auch in dem Sinne wider, als dass er alle Peacebuilding-Institutionen, hier vor allem PBSO, wiederholt dazu auffordert, ihre Arbeit sichtbarer zu machen, ihre Wirkung kontinuierlich zu prüfen, zum Wissenstransfer beizutragen sowie Daten und Analysen systematischer für die Berichterstattung und Optimierung von Ansätzen zu nutzen. Dabei ist auch PBSO von den mit den UN80-Reformen einhergehenden signifikanten Kürzungen von Personal und Budget betroffen und wird die neuen Aufgaben mit deutlich weniger Ressourcen erfüllen müssen.
Während der Review 2025 an vielen Punkten Bekanntes bestätigt, enthält er auch einige konkrete neue Initiativen: Peacebuilding-Aktivitäten sollen verstärkt mit den Internationalen Finanzinstitutionen (IFIs), mit regionalen und subregionalen Organisationen, aber auch mit nationalen Regierungen, der Privatwirtschaft und lokalen Peacebuildern umgesetzt werden. Gerade die engere Verknüpfung mit den IFIs war – vor allem für Länder des Globalen Südens – bereits ein wichtiges Thema in den Verhandlungen für den Zukunftspakt. Zudem soll die PBC ein detailliertes Jahresarbeitsprogramm entwickeln und ihre Aktivitäten enger mit jenen des UN Economic and Social Council (ECOSOC) verknüpfen. Mitgliedstaaten werden dazu ermutigt, die Kapazitäten des PBSO – im Rahmen der vorhandenen Ressourcen oder durch freiwillige Finanzmittel – zu stärken. Zudem soll eine Peacebuilding Week als jährliches Austauschformat eingeführt werden.
Deutsches Engagement und Peacebuilding-Prioritäten
Deutschland unterstützt Peacebuilding-Aktivitäten durch diplomatisches Engagement im multilateralen Rahmen und durch finanzielle Beiträge. So war Deutschland 2025 der größte Geldgeber für den PBF und in 2023 zweitgrößter Geldgeber an das UN-System. Im Jahr 2025 übernahm Deutschland den PBC-Vorsitz und setzte sich dafür ein, Synergien zwischen der PBC und dem Sicherheitsrat auszubauen, die Rolle der Peacebuilding-Architektur bei der Beendigung von Friedenseinsätzen zu erweitern und diese stärker mit anderen Peacebuilding-Instrumenten zu verknüpfen. Auch die Stärkung des national ownership, die Mobilisierung von Ressourcen sowie die Verbesserung des Zusammenspiels zwischen Friedensmissionen, IFIs und regionalen Akteuren im Peacebuilding standen auf der Agenda.
Somit hat Deutschland wichtige Vorleistungen für die Umsetzung des Review 2025 erbracht. Als kommender Ko-Vorsitz der PBC sollte Deutschland diese Ansätze weiter vorantreiben. Auch die Kandidatur für einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für die Jahre 2027/28 kann genutzt werden, um zur engeren Verknüpfung von Peacebuilding und Friedenseinsätzen beizutragen und die Umsetzung des Review 2025 aktiv zu unterstützen.
Ausblick
„Mehr Konflikte, weniger Friedensabkommen; größerer humanitärer Bedarf, weniger Mittel“ – das multilaterale Peacebuilding steht unter Druck. Doch, wie der Review 2025 unterstreicht, erfordert erfolgreiches Peacebuilding dieses integrierte, multidimensionale Vorgehen, welches sich an den spezifischen Konfliktkontexten orientiert. Insgesamt ist der Review 2025 ein weiterer Schritt, das Verständnis von Peacebuilding als Querschnittsaufgabe im UN-System zu verankern. Er zielt auch darauf, die politische und beratende Rolle der PBC, insbesondere gegenüber dem UN-Sicherheitsrat, sowie ihre Koordinierungsfunktion zu stärken. Trotz eines konfliktreichen geopolitischen Kontexts hält der Review 2025 dem derzeitigen Druck mancher Mitgliedstaaten stand und unterstreicht die Wichtigkeit der Agenda Frauen, Frieden, Sicherheit und die der Rolle der Jugend sowie die Unverletzbarkeit von Menschenrechten.
Jetzt ist es an der UN und ihren Mitgliedstaaten, einschließlich der Gast- und Geberländer, Peacebuilding als eine kollektive Verantwortung zu leben. Deutschland als angesehener Fürsprecher und wichtigster Geldgeber des Peacebuilding kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Eine zentrale Aufgabe ist es, das Momentum des Review 2025 auch für die weitere Entwicklung von Friedenseinsätzen zu nutzen.